Comixene (1994)
Dieses Interview wurde im Jahr 1994 von der Fachzeitschrift
Comixene in ihrer 60-Jahre-Donald-Jubiläumsausgabe abgedruckt. Bitte beachtet,
dass die Informationen, die darin gegeben werden, dem damaligen Stand
entsprechen. Beim angeblichen Zwist zwischen Barks und Rosa, beispielsweise, hat
sich später herausgestellt, dass die negativen Berichte gar nicht von Barks
selbst, sondern von dessen Managern stammten. So kam es dann auch schließlich
doch noch zum ersten (und leider einzigen) Treffen der beiden.
Der Artikel stammt von Joachim Kaps und wird hier mit
freundlicher Genehmigung des Autors veröffentlicht.
Seit einigen Jahren schon wird Don Rosa unter Kennern als der
interessanteste der heute noch aktiven Enten-Zeichner gehandelt. Bei Ehapa
widmete man ihm gleich nach Carl Barks und Al Taliaferro eine eigene Albenreihe,
in der zunächst sein Mammutwerk "Onkel Dagobert - Sein Leben, seine
Milliarden"zum Abdruck kommt. Sogar die Donaldisten - sonst eher skeptisch
gegenüber allen Zeichnern unter 90 - erkennen seine Geschichten um die Familie
Duck als Quellenmaterial für ihre Forschung an. Er selbst hält es da eher mit
Bescheidenheit, ist mit seinen Zeichnungen nie recht zufrieden. Dass seine
Geschichten trotzdem weltweit derart beliebt wurden, führt er vor allem darauf
zurück, dass man ihnen beim Lesen die Freude anmerkt, die er bei der Arbeit hat.
Dass er die hat, ist eigentlich kein Wunder, weil sich der heute 43-jährige vor
acht Jahren mit seinem Berufswechsel vom Ingenieur zum Enten-Zeichner einen
alten Traum erfüllte. Aber auch vorher führte er schon immer ...
Ein Leben mit den Ducks
Die ersten 35 Jahre seines Lebens sind schnell erzählt und
spielen heute für ihn auch keine besondere Rolle mehr. Am 29. Juni 1951 wird
Keno Don Rosa als Spross einer italienischen Einwandererfamilie in Louisville
(Kentucky) geboren. Schon als kleines Kind verschlingt er die Comics seiner
älteren Schwester und entwickelt so schon früh eine besondere Beziehung zu
sprechenden Enten. Vor allem die Hefte von Dell haben es ihm angetan, in denen
er begeistert die Seiten eines guten Zeichners verfolgt, von dem er heute weiß,
dass sein Name Carl Barks lautet.
Das Medium sagt dem kleinen Keno Don so sehr zu, dass er sich schon als Kind von
Anfang an der Bildergeschichte widmet. Einzelne Bilder dagegen interessieren ihn
weniger, weil ihm vor allem die Geschichten wichtig sind. So entstehen allerlei
Comic-Heftchen für den eigenen Spaß. Als Don Rosa in das Alter kommt, in dem aus
Spaß im Allgemeinen Ernst werden muss, beginnt er ein Tiefbaustudium, um später
in den familieneigenen Betrieb einsteigen zu können. Daneben entstehen zwar auch
weiterhin Comic-Seiten für Schüler- und Studentenzeitungen, auch mal für die
lokale Presse, doch mehr als ein Hobby scheint sich daraus nicht entwickeln zu
lassen. Zumal ihn die Idee nicht loslässt, dass er eigentlich am liebsten
Geschichten mit seinen Lieblingsfiguren, den Enten Barks'scher Prägung, zeichnen
würde.
Da ihm die neueren Comics - die mit den Enten eingeschlossen - immer weniger
zusagen und er auch selbst mit seinen Publikationen in der Independent-Szene
nicht sehr erfolgreich ist, legt er nach Abschluss seines Studiums und dem
Einstieg in das Berufsleben den Zeichenstift Ende der 70er Jahre schließlich in
die Ecke und erfreut sich nur noch an seiner rund 40.000 Bände umfassenden
Sammlung alter Comics. So wäre es wohl auch bis heute geblieben, wäre Don Rosa
nicht im Jahre 1986 plötzlich an einem Kiosk ein Disney-Comic-Heft des
Gladstone-Verlags in die Hände gefallen, dessen Comics wieder ganz im Stil der
frühen Enten-Storys gehalten waren. Sofort entflammt die alte Leidenschaft aufs
Neue. Kurz darauf ruft er den zuständigen Redakteur Byron Erickson an und
erzählt ihm, dass er dazu geboren sei, die Lebensgeschichte von Dagobert in
Comic-Form zu erzählen. Erickson ist so überrascht, dass er dem dreisten Anrufer
eine Chance geben will, und bittet ihn um eine Arbeitsprobe. Einen Tag später
kramt Don Rosa seine Zeichenutensilien wieder hervor und schreibt und zeichnet
ein komplettes Uncle-Scrooge-Abenteuer, das bei Gladstone auch auf Gefallen
stößt. Kurz darauf quittiert er seinen Dienst in der Firma und lebt und arbeitet
fortan als professioneller Comic-Zeichner.
Seit dieser Zeit fühlt sich Don Rosa als einer der glücklichsten Menschen
überhaupt und investiert in seine Arbeit voller Begeisterung weitaus mehr Zeit,
als es ihm seine Seitenhonorare eigentlich erlauben. Dadurch entstehen seit
langer Zeit endlich wieder einmal neue Comics um die Familie Duck, in denen sich
der alte Gedanke von Menschen in Entengestalt wiederfindet: Gut erzählte und
spannende Abenteuer voller witziger Details, die vor gut recherchierten und
präzise ausgearbeiteten historischen Schauplätzen angesiedelt sind. Über die
Erfüllung seines - durchaus nicht amerikanischen - Traums, seine Arbeit, seine
Enten und Comics überhaupt stand er COMIXENE Rede und Antwort.
Können Sie sich noch an den ersten Comic erinnern, den Sie
sich als Kind gekauft haben?
Nein. Ich verspüre heute eine so tiefe Zuneigung zu den
Ducks, dass die Erinnerungen an sie alles Andere überlagern. Durch die
Comic-Sammlung meiner Schwester war ich von dem Tag an, an dem ich von der
Entbindungsstation ins elterliche Heim gebracht wurde, von den Enten umgeben.
Und auch schon früh begeistert?
Damals liebten praktisch noch alle amerikanischen Kinder
Comics. Das Fernsehen setzte sich gerade erst durch und für uns war es durchaus
noch üblich, ganz verschiedene Formen der Unterhaltung zu nutzen. Natürlich
mochte jeder von uns ganz nach dem eigenen Geschmack andere Comics, aber die
Ducks waren ganz ohne Frage von allen die beliebtesten. Ich selbst mochte schon
früh die Storys von Carl Barks besonders, weil in ihnen - im Gegensatz etwa zu
den Cartoons von Warner oder MGM - nicht nur irgendwelche netten Tierchen ihren
Unfug trieben. Bei ihm ging es eben nicht nur darum, dass Bugs Bunny Elmer Fudd
seine Karotten klaute. Seine Enten waren eigentlich Menschen und in erwachsene
Zusammenhänge eingebunden. Donald musste sich einen Job suchen, Dagobert seine
Steuern zahlen. Und vor allem: Sie wurden in Abenteuer verwickelt, die auf
realen historischen Zusammenhängen oder Fakten fußten und an authentischen
Schauplätzen angesiedelt waren. Barks' Enten nahmen ihre Leser ernst und
blickten nicht auf sie herab, nur weil sie Kinder waren. Das hat mich schon als
Kind begeistert. Ich spürte, hier nahm mich jemand ernst ...
Was Ihrer Meinung nach nicht unbedingt für alle Comics
gilt?
Mir scheint, viele Comic-Produzenten machen in dieser
Hinsicht einen entscheidenden Fehler. Sie glauben, dass Kinder diesen einfach
gestrickten Kram im Stil von "Casper - Der freundliche Geist" mögen. Ich dagegen
glaube, Kinder stehen auf gute, durchdachte Geschichten und Bilder. Zumindest
die pfiffigeren von ihnen...
Wenn dem wirklich so wäre, dürften sich die eher simpel
gestrickten Comics auf Dauer aber nicht so gut verkaufen, oder?
So leicht lässt sich das gar nicht sagen, weil sich die
Kinder ihre Comics ja nicht unbedingt immer selbst kaufen. Ich bleibe dabei: Es
ist ein Fehler, wenn Verleger glauben, dass Kinder diese minimalistischen
Zeichnungen und Geschichten, wie man sie in Serien wie Casper oder Wendy findet,
wirklich wollen. Ich zumindest erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich als
Kind auf die abenteuerlichen Geschichten des "guten Zeichners" völlig anders
reagiert habe, als auf den Kram um freundliche Geister oder Ähnliches.
Vielleicht haben ich und manche anderen Kinder aber auch einfach nach einer
anderen Art von Unterhaltung gesucht. Vielleicht waren wir pfiffiger als andere.
Vielleicht - vielleicht auch nicht ... Auf jeden Fall habe ich in meinem Leben
ein paar Archäologen und andere Wissenschaftler getroffen, die meinten, dass sie
bei der Wahl ihres Berufs auch von den alten $rooge-McDuck-Geschichten, die sie
als Kinder gelesen hatten, beeinflusst worden waren. Dagegen habe ich über
Little Dot, Archie oder Yogi Bear nie etwas Ähnliches gehört.
Mehr noch als die Comics mochte ich selbst als Kind die alten Filme, die ich im
Fernsehen sah. Und die lustigen Storys von Barks waren die einzigen Comics, die
mit meinen Filmlieblingen Laurel & Hardy und W.C. Fields mithalten konnten, bei
denen immer ganz normale Menschen mit ihren kleinen Schwächen zu kämpfen hatten.
Nur in den Comics von Barks war etwas davon wiederzufinden, was mich an Filmen
wie "In den Fesseln von Shangri-La" oder "Der Herr der sieben Meere"
begeisterte. Aus diesem Holz waren die Dinge geschnitzt, die ich mochte. Wenn es
tatsächlich Kinder gab, die so etwas wie Wendy, die gute Hexe, lieber mochten,
lag das vielleicht daran, dass sie nach einfacheren Stoffen suchten, die sie aus
irgendwelchen Kinderbüchern kannten, aber mein Ding war so etwas bestimmt nicht.
Wenn man sich den Comic-Markt anschaut, muss man trotz
allem den Eindruck gewinnen, dass der kleine Keno Don Rosa in dieser Hinsicht
die große Ausnahme war ...
Heute ist die Situation ohnehin eine ganz andere. Stark
vereinfacht könnte man sagen, dass der amerikanische Comic inzwischen nicht mehr
auf Geschichten, Charakteren und Erzähltechnik fußt, sondern auf Action und
Gewalt, gemixt mit dem Grundsatz, selbst die simpelste Idee so lang und breit
auszuwalzen, wie es nur geht. Die wenigen noch verbliebenen Comic-Käufer sollen
möglichst viele Hefte kaufen, um eine Minimalgeschichte zu lesen.
Ich lobe meine eigene Arbeit normalerweise nicht. Trotzdem würde ich gerne
einmal erleben, dass einer der modernen Superhelden-Autoren versucht, eine
Geschichte abgeschlossen in einem Heft zu erzählen. Eine Geschichte, die von
jemandem, der noch nie etwas von den darin vorkommenden Figuren gehört hat, mit
genausoviel Genuss gelesen und verstanden werden kann, wie von dem, der die
Serie seit Jahren kennt. Eine Geschichte dazu, die ohne eine Spur von Gewalt
auskommt und dabei so viele Aspekte beinhaltet, wie eine meiner Geschichten. In
anderen Worten: Ich wünschte, es gäbe weniger aufgeblähte Schickimicki-Kunst und
mehr Bilder pro Seite. Ich glaube, darin liegt das Geheimnis guten Erzählens.
Warum das heute kaum noch jemand versucht, weiß ich auch nicht. Die Bilder sind
immer sehr beeindruckend, obwohl auch hier für mich fast alles gleich aussieht,
weil sich jeder nur an das anlehnt, was gerade "in" ist. Die Geschichten sind
fast durchgängig schlecht.
Bleiben für Sie im aktuellen Angebot trotz allem noch
Comics, die Sie mögen?
Die amerikanischen Comics sind mir im Allgemeinen zu peinlich
und deprimierend geworden. Vor etwa acht Jahren habe ich damit aufgehört, mir
regelmäßig Comics zu kaufen. Seit sich die Comic-Szene in praktisch nichts mehr
von der für Trading-Cards unterscheidet, ist das Angebot immer schlimmer
geworden.
Natürlich schaue ich mich ab und an nach den wenigen amerikanischen Comics um,
die abseits der üblichen Superhelden-Comics liegen. Aber ich zähle zu den
Leuten, die eigentlich nichts nur halb angehen können. Über Jahrzehnte hinweg
war ich beinahe Komplettsammler und habe mich dann irgendwann dazu entschlossen,
auf einen Schlag ganz damit aufzuhören. Ich kann ein Hobby nur genießen, wenn
ich ganz und gar darin aufgehe. Nur ab und an kaufe ich noch einige europäische
Ausgaben und Neuauflagen alter Zeitungscomics. Zu meiner Sammlung alter Comics
stehe ich aber auch heute noch und tauche ab und an tief in sie ein.
Sie haben vorhin einen Seitenhieb auf das Fernsehen
gelandet. Halten Sie die Flimmerkiste mit dafür verantwortlich, dass es mit den
Comics bergab gegangen ist?
Ja. So sehr ich selbst das Fernsehen in seiner alten Art
geliebt habe, scheint es mir doch offensichtlich, dass all der Mist, der sich in
den letzten dreißig Jahren ohne Unterbrechung über die jungen amerikanischen
Zuschauer ergossen hat, ihnen etwas geraubt hat. Ihre Fähigkeit, einer Sache zu
folgen, die nicht alleine durch visuelle Reize bestimmt ist, wird immer
geringer. Das schlägt sich in den Nachrichten genauso nieder wie in den Comics,
die heute gelesen werden. Es ist ja nicht nur meine Einschätzung, dass die
amerikanische Kultur immer oberflächlicher wird, Bilder über Inhalte, die äußere
Form über wirkliche Substanz stellt. Vielleicht lässt dieser Ansatz sich ganz
gut auf die Comics übertragen. Aber viele Comics werden heute ja ohnehin nicht
mehr gelesen: Vor 40 Jahren verkauften amerikanische Comics von einer Ausgabe
zwei bis drei Millionen Exemplare, heute sind es in aller Regel nur noch 50.000
bis 100.000.
Halten Sie die beschriebenen Tendenzen der Verflachung
wirklich für ein vor allem amerikanisches Problem?
Natürlich ist das ein amerikanisches Problem. Ist das für
euch Europäer nicht offensichtlich? Aus genau diesem Grunde finde ich es auch so
irritierend, dass manche Europäer Amerika noch immer in jeder Hinsicht
nacheifern wollen, statt sich auf ihre eigene überlegene Kultur zu besinnen.
Glauben Sie nicht, dass diese Entwicklungen irgendwann
einen Endpunkt erreichen müssen, an dem die Leute merken, dass Form ganz ohne
Inhalt nur eine hohle Nuss ist?
Die Chancen dafür stehen, so wie ich es sehe, eher schlecht.
Es ändert sich ja nichts daran, dass der Weg des geringsten Widerstandes auf den
ersten Blick verlockender wirkt. Es ist nicht nur leichter für die Kids, das
Oberflächliche zu wählen, wenn sie sich ihre Comics aussuchen. In Amerika erntet
man heute ganz generell genau dann den meisten Beifall, wenn man sich
intellektuell auf einen möglichst niedrigen Level begibt. Den Europäern kann man
auf jeden Fall nur raten, diesen Verfall nicht auch noch nachvollziehen zu
wollen. Sie müssen gewaltig darauf aufpassen, was das inzwischen auch bei ihnen
eingeführte Kabelfernsehen bringt.
Der Erfolg Ihrer Geschichten könnte als Gegenbeweis für
ihre Thesen einer generellen Verflachung ins Feld geführt werden. Vielleicht
bringt uns die Frage nach der Entstehung eines Don-Rosa-Comics einer Antwort auf
die Frage nach den Ursachen für das Gelingen und Misslingen intelligent
gemachter Comics näher. Wie wird bei Ihnen eine Geschichte aufgebaut?
Ich habe mich in den letzten drei Jahren immer stärker auf
die von mir bevorzugte Form abenteuerlicher Geschichten konzentriert. Am Anfang
steht dabei immer eine ganz einfache Idee. Etwa, dass es um einen legendären
Schatz gehen soll, eine untergegangene Zivilisation oder etwas Ähnliches. Von da
ausgehend, beginne ich meine Recherchen. Zunächst in meiner mittlerweile recht
umfangreichen eigenen Bibliothek, die Bücher über Geschichte und Wissenschaften
aller Art sowie fünfzig Jahrgänge von "National Geographic" umfasst.
Dann geht es in den örtlichen Büchereien weiter, wo ich mich in Bezug auf mir
besonders interessant erscheinende Details weiter vertiefe. Oft telefoniere ich
auch mit Professoren in meiner Heimatstadt oder führe Ferngespräche mit den
Lehrenden aus meiner College-Zeit. Der Bezug zu bestimmten historischen Fakten
ist für mich sehr wichtig. Ich finde Geschichte ausgesprochen faszinierend und
glaube, dass auch Geschichten viel interessanter werden, wenn sie nicht
ausschließlich aus erfundenen Zusammenhängen bestehen, die einem einfach so
einfallen. Ich finde mit reinen Fantasiegeschichten unterfordert man seine Leser
- ganz egal, wie alt sie sind. Ich beschäftige mich auch mit den geographischen
und den geologischen Gegebenheiten der Gegend, in der meine Geschichte spielen
soll. Im nächsten Schritt lege ich fest, was genau auf jeder einzelnen Seite
Platz finden muss, um sicherzustellen, dass ich mit der vorgegebenen Seitenzahl,
die immer zwischen 15 und 24 liegen muss, genau hinkomme. Dieser Schritt scheint
übrigens den meisten heutigen Autoren weitgehend fremd zu sein. Ich selbst
beginne bei dem Aufbau meiner Geschichten am Ende. Durch den fest vorgegebenen
Seitenrahmen und den Umstand, dass die Geschichte bei mir am Ende auch wirklich
beendet sein muss, erscheint mir das als der einzige praktikable Weg. Wenn ich
das letzte Panel kenne, ergibt sich daraus das vorletzte, aus dem das davor usw.
So baue ich die Story rückwärts auf, bis ich in etwa in der Mitte angekommen
bin. Dann springe ich zum zweitwichtigsten Panel eines Comics über: dem
allerersten. Die Eröffnungspanels von Barks erscheinen mir perfekt: Sie führen
den Leser mit irgendeiner alltäglichen Szene in die Geschichte ein und ziehen
ihn dann langsam immer tiefer in den weiteren Ablauf hinein. Sobald ich Anfang
und Ende der Geschichte stehen habe, kann ich die beiden Enden mit dem am
wenigsten wichtigen Teil - der aktionsbetonten Mitte - verknüpfen. Da dieser
Teil für die Substanz einer Story nicht weiter entscheidend ist, kann er
vergleichsweise beliebig aufgefüllt werden.
Anschließend schreibe ich in meinem Notizbuch die Dialoge nieder, scribble dann
das komplette Storyboard des Comics durch, um es dem Verlag zeigen zu können.
Diese ersten Scribbles zeichne ich auf ganz normalem Schreibmaschinenpapier.
Nach dem Okay durch den Verlag wird die Geschichte noch einmal sauber mit
Bleistift umgesetzt und schließlich getuscht. Natürlich war das jetzt eine sehr
komprimierte Zusammenfassung des Geschehens! Wahrscheinlich habe ich ihnen nicht
viel erzählt, was sie sich nicht ohnehin schon gedacht haben, oder?
Vielleicht können wir es noch etwas vertiefen. Für eine
gute Geschichte braucht es doch mehr als nur Realitätsnähe: Der Umgang mit den
Charakteren, Ideen für lustige Nebenhandlungen und manches Andere mehr müssen
mit den recherchierten Grundlagen verwoben werden. Wie verbinden sich für Sie
idealerweise Realität und Fiktion?
Zunächst einmal orientiere ich mich wirklich ausschließlich
an den gegebenen historischen Zusammenhängen, spiele mit ihnen herum, verändere
sie hier und da. Irgendwann komme ich an einen Punkt, an dem ich nichts mehr an
den Fakten ändern will, auch wenn ein bisschen Flunkerei den Plot verbessern
würde. Es fasziniert mich einfach zu sehr, wie spannend Geschichte sein kann.
Wenn ich zu historischen Epochen oder Schauplätzen recherchiere, die ich
verwenden möchte, denke ich überhaupt nicht an die noch zu schreibende Story.
Die besten Geschichten, so scheint es mir, sind schon in der Geschichte
angelegt, um irgendwann auf neue Weise erzählt zu werden.
Wie ich das Ganze am Ende dann mit meinen eigenen Ideen verbinde, lässt sich
nicht so einfach beantworten, weil ich meine Arbeitsweise eigentlich nie
analysiert habe. Ich setze mich einfach hin und warte auf Ideen. Ich glaube,
wenn ich zu viel darüber nachdenken würde, wie ich meine Comics tatsächlich
realisiere, würden meine Storys den entscheidenden "Kick" verlieren - wenn sie
denn einen haben ...
Der Detailreichtum Ihrer Geschichten wird immer wieder
gelobt. Entsteht der auch eher unbewusst oder glauben Sie, man muss dem Leser
solche Zusatzreize bieten, um ihn mit einer Geschichte fesseln zu können?
Details können durchaus auch ablenken oder störend wirken.
Vielleicht sollte man diese Frage daher meinen Lesern stellen, vor allem denen,
die meine Arbeit nicht so sehr mögen. Trotz allem habe ich dazu natürlich auch
meine eigenen Ideen: Es verwirrt mich nach wie vor, dass meine Geschichten so
populär geworden sind, obwohl meine Zeichnungen im Vergleich zu denen von Jippes
oder anderen recht spröde wirken. Die einzige Antwort, die ich auf diese für
mich so rätselhafte Frage finden konnte, ist die, dass die Leser offenbar all
die kleinen Details und Background-Gags sehen und dabei den Spaß nachempfinden,
den mir meine Arbeit bereitet. Zumindest bekomme ich das immer wieder so zu
hören. Sie wissen wohl, dass ich für all die Arbeit, die ich durch die Details
in die Geschichten stecke, keinen Cent mehr bekomme als die, die das nicht tun.
Im Gegenteil: Ohne die ganzen Kleinigkeiten könnte ich in der Hälfte der Zeit
arbeiten und entsprechend schneller meinen Lohnscheck abgreifen.
Dass Sie das nicht tun, haben Sie wohl mit Carl Barks
gemein, der eine ganz ähnliche Arbeitsweise pflegte. Sie reden viel von ihm und
werden auch oft mit ihm verglichen. Haben Sie ihn je getroffen?
Nein, nie. Mir ist im Laufe der Zeit auch nach und nach klar
geworden, dass er mich nicht treffen will. Ich habe zwar immer wieder versucht,
Verbindung mit ihm aufzunehmen, aber er hat mich nie an sich herangelassen. In
jüngerer Zeit haben die Dinge sich dann etwas zugespitzt. Es begann mit einigen
Kommentaren von Barks, die im deutschen Donaldist kolportiert wurden und mir wie
absichtliche Verdrehungen einiger meiner Geschichten erschienen, die er offenbar
nie gelesen hat. Ich fuhr trotzdem kurze Zeit später zu einem Comic-Festival
nach Atlanta, auf dem auch er zugegen war, und habe erneut versucht, ihn dort zu
treffen. Barks lehnte es aber auch hier ab, mich zu sehen. Das war natürlich
recht entmutigend. Der Mann, der mir in meiner Kindheit die größten Freuden
bereitet hat, ist so zur grössten Enttäuschung in meiner Zeit als Erwachsener
geworden. Aber das ist mein Problem. Barks kann jeder Meinung sein, der er will,
es ändert meine Ansichten über ihn nicht: Die Ducks sind für mich immer noch
seine Figuren, und er ist immer noch mein Idol. So ist das Leben ...
Hören Sie es trotzdem gerne, als Barks-Erbe bezeichnet zu
werden?
Was soll ich dazu sagen? Ich weiß, dass Barks es nicht gerne
hört, wenn man mich als seinen Erben oder Enkel nennt, also kann ich auch gleich
darauf verzichten. Warum sollte ich mein Idol verärgern wollen? Man kann nicht
Erbe von jemandem sein, der einem nichts vererben will, oder? Außerdem bin ich
nicht Carl Barks, sondern Don Rosa. Und deswegen kann ich auch immer nur
Don-Rosa-Storys zeichnen. In mancherlei Hinsicht wird meine Arbeit niemals auch
nur annähernd so gut werden wie seine, in anderer Hinsicht ist sie eben einfach
nur anders. Ich versuche nicht, Barks zu imitieren. Ich bin als Zeichner auch
nicht gut genug, um so etwas zu machen, wie etwa Jippes es durchaus kann. Ich
versuche nur, Duck-Geschichten zu erzählen, die den gleichen "Geist" atmen wie
die, die ich selbst als Kind gelesen habe. Ich glaube übrigens, dass sich in
meiner Arbeit genauso viel von Will Eisner, Harvey Kurtzman, Alfred Hitchcock
und manchen anderen Comic-Zeichnern und Regisseuren findet wie von Barks.
In Deutschland glaubte vor Kurzem ein Journalist des
"Focus" die sozialkritische Ader Ihrer Comics entdecken zu müssen. Können Sie
mit diesem Ansatz etwas anfangen?
Da kommt ein Punkt zur Sprache, der mich sehr verärgert hat.
Ich habe diesen seltsamen Artikel zu Gesicht bekommen, in dem unterstellt wird,
ich hätte aus Entenhausen so etwas wie eine amerikanische "Robocop"-Kulisse
gemacht. Ich wüsste zu gerne, was hinter diesen Lügenmärchen stand. Ich habe
eine einzige Seite gezeichnet, in der Donald und Dagobert durch einen
Slum-Bezirk laufen, weil es in genau dieser einen Story für die Erzählung
wichtig war. [Anmerkung von DuckMania: Es handelt sich bei besagter Szene um das
erste Panel aus "Satellitenjäger"] Daraufhin hat dieser Schreiberling so getan, als würde ich
Entenhausen immer so zeichnen. Ich habe ja wirklich nichts dagegen, wenn jemand
meine Geschichten oder Bilder nicht mag, aber dazu, mir derartige Lügen in Ruhe
anzuhören, habe ich auch keine Lust. Was wollte dieser Kerl damit bezwecken?
Warum hat er versucht, mit falschen Informationen meine Arbeit zu
diskreditieren? Ich wünschte, ich wüsste warum ...
Trauen Sie den Comics trotzdem zu, im Kleinen etwas
verändern zu können? Sie haben ja früher auch Geschichten gemacht, die dem
Underground recht nahe standen ...
Solche Fragen sind mir heute für meine Arbeit zu
philosophisch. Für mich sind Comics nichts Anderes als Unterhaltung. Natürlich
kann ich es nicht vermeiden, dass meine Ansichten und Meinungen in sie
einfließen. Aber das liegt ausschließlich daran, dass ich meine Geschichten so
erzähle, wie ich sie eben nur erzählen kann, wenn ich mich und meine Leser nicht
langweilen will. Ich hatte niemals die Absicht, die Welt oder auch nur einen
einzigen meiner Leser zu verändern. Ich mache keine Kunst, sondern einfach
Unterhaltung.
Schließen Unterhaltung und Kunst sich denn Ihrer Meinung
nach gegenseitig aus?
Meine Arbeit kann keine Kunst sein, weil ich nicht jede Seite
und jedes Panel gestalte, um eine abstrakte Idee oder ein Gefühl zum Ausdruck zu
bringen. Ich versuche auch keine wunderschönen Bilder zu zeichnen, wie man sehen
kann. Ich könnte es auch nicht. Ich will nur eine Geschichte erzählen und dabei
so viel Story und Gags auf jede Seite und in jedes Panel pressen, dass sich der
Leser gut unterhalten fühlt. Auch weiß ich, wenn ich eine Geschichte schreibe,
dass ich sie in einer ganz bestimmten Zeit fertig stellen muss, um meinen
Lebensunterhalt damit verdienen zu können. Natürlich investiere ich dabei mehr
Zeit als manch anderer Zeichner ... aber eben auch nur bis zu einem bestimmten
Punkt. Wenn es Kunst werden sollte, würde ich an jeder Geschichte ein Jahr lang
arbeiten und an jedem Panel eine Woche lang zeichnen, so lange eben, bis es
wirklich perfekt wäre. Aber ich werde nun mal nicht nach Stunden bezahlt und
muss daher zusehen, meine Arbeit möglichst schnell zu erledigen. Vielleicht
machen andere Comic-Zeichner Kunst, doch ich mache nur Unterhaltung für müde
Geister.
Gerade klang etwas an, aus dem man schließen könnte, dass
Sie Ihre Zeichnungen nicht besonders mögen?
Ich glaube schon, dass sie ihre Schwächen haben. Ich bin
immer völlig entsetzt, wenn ich sie in den Heften neben so tollen Arbeiten wie
denen von Jippes, Rota, Branca oder dem Studio Vicar sehe. Die wissen, wie sie
ihre Ideen in gutes Layout mit schönen Bildern umzusetzen haben. Ich bin nur ein
Hobbyzeichner, der irgendwie dazu kam, von seinem Hobby zu leben. Ich glaube
zwar, dass ich mit der Mimik ganz gut umgehe - zumindest ist sie wohl witzig -,
aber die Umsetzung bestimmter Bewegungsphasen fällt mir noch immer sehr schwer.
Ich habe nicht die leiseste Ahnung davon, wie man wirklich wohlproportionierte
Enten und Hunde oder schöne Stadtansichten und Gebäude im Hintergrund zeichnet.
Dafür braucht man einfach jahrelange Übung und Erfahrung, die ich heute nicht
mehr aufholen kann. In meiner Zeit als Hobbyzeichner habe ich nie mehr als ein
oder zwei Stunden pro Woche gezeichnet. Heute zeichne ich acht bis neun Stunden
am Tag! Natürlich hat mein Zeichnen sich seit "Das
Gold der Inkas" schon weiterentwickelt, und ich hoffe, es wird sich in den
kommenden Jahren noch viel mehr weiterentwickeln. Aber die wirklich guten
Zeichner werde ich nie mehr einholen können.
Ich bin übrigens auch auf meine Storys und Dialoge nicht besonders stolz. Aber
glauben sie jetzt nicht, dass ich die Comics am Ende nicht mag! Ich bin mir
durchaus darüber im Klaren, wie wenige andere Leute Comics schreiben und
zeichnen. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich bei meinen Arbeiten alles selbst
mache. Und weil die Leser meine Geschichten offenbar mehr mögen als viele der
besser gezeichneten, kann ich nur annehmen, dass es mir gelingt, meine Storys
mit einem Reiz auszustatten, den nur ein Comic-Macher erzeugen kann, der
schreibt und zeichnet. Ich weiß nicht recht, was das genau ist ...
Ich frage mich auch heute noch, warum gerade meine Geschichten überall in der
Welt so beliebt sind. Aber auf die fertigen Geschichten, die einfache
Unterhaltung für die Fans der Enten bieten, bin ich am Ende doch auch stolz.
Wieviel Freiheit hat man eigentlich generell bei der
Arbeit mit den Disney-Charakteren?
In diesem Punkt kann ich natürlich nur für mich sprechen. Mir
kommt es so vor, als könnte ich mit den Ducks machen, was immer ich will, aber
ich habe eben auch mein Leben lang die Comics von Dell gelesen und dadurch wohl
ein gutes Gefühl dafür entwickelt, wie man mit ihnen umgehen soll. In "Onkel
Dagobert - Sein Leben, seine Milliarden" kam ich ganz unweigerlich in
Situationen, in denen ich etwas umsetzen musste, das völlig untypisch für
Duck-Geschichten war, z.B. der Tod von Dagoberts Eltern oder die Zerstörung
eines afrikanischen Dorfes. Vielleicht hat man mir dabei eine etwas längere
Leine als üblich gelassen, weil klar war, dass so etwas wie diese Serie noch nie
zuvor in irgendeinem Disney-Comic versucht worden ist. Worüber man mit mir
diskutiert - und dadurch auch schon oft geholfen hat - ist weniger der Umgang
mit den Charakteren, sondern eher das Erzählen an sich, wie ich eine Sequenz
straffen oder Schwerpunkte verlagern könnte.
Sie arbeiten als amerikanischer Disney-Zeichner direkt für
den Egmont-Konzern in Europa. Ist das nicht eine ungewöhnliche Verkettung, wenn
man sich mit angeblich uramerikanischen Figuren beschäftigt?
Erstens bin ich kein Disney-Zeichner, sondern zeichne Comics
mit den Ducks - das ist für mich ein wichtiger Unterschied. Zweitens ist es ein
Glück, dass ich für Egmont arbeite, weil man dort mehr zahlt als ich früher bei
Gladstone bekam. Dadurch wurde mein Einkommen als Zeichner besser, als ich es
anfangs erwartet hatte. Natürlich kann ich durch meine Comics auch jetzt nicht
reich werden, weil der Disney-Konzern bis heute archaische Verträge mit all
seinen Geschäftspartnern abschließt. Ich glaube, die meisten Leute können sich
gar nicht vorstellen, dass es heute noch eine Firma geben kann, die ihre
Mitarbeiter und Partner so behandelt.
Da klingt eine Menge aufgestauter Ärger an ...
Kein Wunder, wenn das einzige Honorar, das man für seine
Arbeit bekommt, ein winziger Seitenpreis ist, oder? Wie ich vorhin schon sagte:
Wenn meine Geschichten beliebter sind als andere, wenn sie nachgedruckt werden,
wenn ein Verlag wie Ehapa eine Albenreihe herausbringt, die ausschließlich meine
Geschichten enthält, bekomme ich für all das nicht einen Cent mehr gezahlt.
Damit das jetzt nicht falsch klingt: Für diese Verhältnisse können die
Lizenznehmer nichts. Natürlich zahlt Ehapa eine Abgabe an den Disney-Konzern,
wenn meine Storys in Deutschland abgedruckt werden. Nur sehe ich eben nichts von
diesem Geld.
Ich allein schreibe und zeichne diese Geschichten, bin nicht einmal bei Disney
angestellt, sondern arbeite für Egmont. Disney trägt absolut nichts zu diesen
Storys bei. Und trotzdem geben sie keinen Cent von den Lizenzen an mich oder
Egmont ab. Egmont produziert pro Jahr rund 4.000 bis 5.000 Seiten neuer
Disney-Comics, muss die kompletten Rechte daran an Disney abtreten und darf für
diese "Ehre" sogar noch zahlen. Ein tolles Geschäft, was?
Was mich außerdem ärgert: Ich bekomme meine Original-Seiten nicht wieder
zurückgeschickt, obwohl sie rechtlich gesehen mein Eigentum sind ... Auch dies
ist der Wunsch von Disney und nicht von Egmont. Der Verkauf von Originalen ist
kein Kaffeegeld für Comic-Zeichner, sondern eine wichtige Einnahmequelle, die
wir verdient haben. Trotzdem werden Zeichner, die für Disney arbeiten, um diese
Möglichkeit beraubt. Dafür gibt es keinerlei rechtliche Grundlagen, nur hat noch
nie jemand dagegen geklagt.
Außerdem halte ich es für einen unbefriedigenden Zustand, dass die Namen der
Texter und Zeichner in den Veröffentlichungen nicht genannt werden, obwohl die
Namen der Redakteure und Übersetzer durchaus aufgeführt sind. Egmont hatte vor
einiger Zeit einmal vorübergehend damit begonnen, die Namen abzudrucken, aber
Disney hat sie schon kurz danach aufgefordert, das wieder einzustellen.
Gibt es derzeit irgendwelche Initiativen, gegen all diese
Missstände anzugehen?
Was kann man schon tun? Natürlich ist mir klar, dass die
Comics von Disney sich auch verkaufen, wenn sie nicht von Carl Barks oder mir
gezeichnet werden. Mit welchen Argumenten sollen wir also darauf pochen, dass
wir einen Anteil am Gewinn verdient haben? Bezogen auf die Namensnennung weiß
ich inzwischen, dass jeder, der wissen will, wer die Geschichten macht, es
letztlich auch herausbekommt ... Und wenn jemand es nicht wissen will, was hätte
man davon, es ihm trotzdem zu sagen?
Natürlich würde kein halbwegs normaler Mensch versuchen, vom Zeichnen von
Disney-Comics zu leben. Die anderen Sachen, die bei Egmont erscheinen, sind
meist von Studios in Ländern der Dritten Welt umgesetzt, wo ein Studioleiter
einen Stab örtlicher Zeichner anwirbt, diefür wenig Geld arbeiten. So macht er
sich daraus ein rentables Geschäft und kümmert sich nicht um Rechte oder
Originale. Darum geht eben auch kaum einer von ihnen gegen das Grundproblem an.
Trotz allem arbeiten Sie auch weiterhin mit den
Disney-Figuren ...
Tja, warum arbeitet jemand an Comics, an deren Figuren er
keine Rechte hat und von denen er nicht einmal die Originale in seinem Besitz
behält? Das ist eine gute Frage. Was für ein Trottel bin ich?
Mein Problem ist einfach, dass ich mit den Comics von Barks aufgewachsen bin,
der ausgerechnet in dem einzigen Bereich gearbeitet hat, in dem man Zeichner wie
Sklaven behandelt. Ich habe davon geträumt, selbst Geschichten mit diesen
Figuren zu zeichnen, seit ich denken kann. Trotz manchem Ärger habe ich nie
vergessen, dass es ein unglaubliches Glück ist, diesen Traum meiner Kindheit
ausleben zu können. Nicht viele Menschen können so etwas für sich in Anspruch
nehmen. Warum sollte ich gleichzeitig auch noch gut bezahlt werden? Vielleicht
darf man vom Leben nicht alles erwarten. Es ist auf jeden Fall äußerst
unwahrscheinlich, dass die geschilderte Situation sich in absehbarer Zeit
ändert, weil ich anscheinend der einzige freie Mitarbeiter bin, der versucht,
gegen sie anzugehen - und daher auch immer wieder scheitere. Wie auch immer: Ich
liebe meinen Job und will auch nicht zu viel Ärger machen, um ihn nicht zu
verlieren. Vielleicht wird ja auch Disney irgendwann den Stand der 70er Jahre
erreichen und die Dinge ändern - ich gebe die Hoffnung zumindest nicht auf. Bis
es soweit ist, sollte ich vielleicht kündigen oder nicht immer nur nörgeln, was?
Und wie wäre es damit, einfach mit eigenen Figuren zu
arbeiten, nachdem Sie sich inzwischen einen guten Namen gemacht haben?
Natürlich wäre das theoretisch eine Möglichkeit, doch sie
reizt mich aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht. Zum einen glaube ich kaum,
dass es so viele Don-Rosa- wie Duck-Fans in der Welt gibt. Natürlich bietet die
Arbeit mit erprobten Charakteren in dieser Hinsicht einfach eine gewisse
Sicherheit. Aber wichtiger ist mir, dass die Arbeit mit den Ducks für mich
einfach befriedigender ist. Obwohl es nicht "meine" Figuren sind, könnte mir
nichts Anderes soviel Spaß machen wie die Arbeit an diesen Geschichten. Geld ist
wichtig, aber auch nicht alles. Wenn man genug zum Leben hat, warum mit aller
Gewalt nach mehr streben. "Das Beste im Leben gibt es umsonst", lautet ein
Sprichwort, das ich sehr mag.
Zumindest gäbe es aber doch die Möglichkeit, ab und an
einmal etwas für andere Verlage zu zeichnen?
Ich bin seitens des Konzerns nicht dazu verpflichtet,
ausschließlich für ihn zu arbeiten. An Angeboten von Marvel, DC und vor allem
vielen der kleineren Verlage war in der Vergangenheit auch kein Mangel. Ich habe
immer abgelehnt, weil jedes andere begonnene Projekt es mit sich bringen würde,
dass ich eine Duck-Geschichte weniger zeichnen könnte. Und die Ducks werden in
den Comics immer weiterleben, während man sich an die meisten anderen -
insbesondere amerikanischen - Comics schon nach ein paar Jahren kaum noch
erinnert.
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